Sprachlos!

Mai 30, 2008 um 10:30 am | Veröffentlicht in Cape Life, Cape Town | 8 Kommentare

Auf unseren normalen Wegen durch die Stadt zur Schule scheint alles wie immer zu sein. Niemand würde vermuten, dass in der letzten Woche 19.000 Ausländer allein in Kapstadt zu Flüchtlingen geworden sind. Diese Zahl kann ich mir gar nicht vorstellen! In den deutschen Medien hat’s sicherlich auch Berichte über die ausländerfeindlichen Übergriffe in Südafrika gegeben.

Die vermeintliche Idylle am Kap hat empfindliche Risse bekommen. Jetzt gibt’s hier in der Nähe von malerischen Stränden plötzlich „Flüchtlingscamps“, aus dem Boden gestampft und nur mit dem Notwendigsten ausgestattet, um Menschen aus anderen afrikanischen Staaten Zuflucht zu gewähren, die aus Angst vor Übergriffen ihre Hütten in den Townships verlassen haben. In den ersten Tagen haben sie sogar vor Polizeitstationen oder in Kirchen campiert, bis sich die Stadt kurzerhand dazu entschlossen hat, zentrale Flüchtlingscamps einzurichten. Dort sollen die Leute aus Somalia, Malawi, Zimbabwe, Mosambik oder anderen Staaten  bleiben, bis die Lage sich „normalisiert“ hat. Wobei viele der Läden, die Ausländer betreiben schon geplündert worden, ihre Hütten abgebrannt sind und ihre Arbeitsstätten sowie die Schulen der Kinder kilometerweit entfernt von den Flüchtlingslagern liegen.  

Und wir anderen Ausländer? Wir leben weiterhin in unserem Estate, abgeschottet von der anderen Realität in Kapstadt. Sie begegnet uns „nur“ in Form von Hilferufen nach Lebensmitteln, sanitären Artikeln und warmer Kleidung für die Flüchtlinge. In den Supermärkten stehen Einkaufswagen zum Sammeln der Lebensmittel. Im unserem Briefkasten finden sich täglich Flyer mit Informationen über die zentralen Sammelstellen für die Hilfsgüter und Kontonummern zum Geldüberweisen. Wir haben uns auch an den Hilfsaktionen beteiligt, sicher – aber ich bin einfach fassungslos, wenn ich die Berichte in Zeitungen und im Fernsehen verfolge, was da so direkt vor unserer Haustür passiert. Dabei denke ich nicht, dass viele Südafrikaner plötzlich fremdenfeindlich geworden sind. Da ist viel allgemeiner Frust dabei. Mir macht Angst, wie schnell sich diese Welle der Gewalt über ganz Südafrika ausbreitet. Ich frage mich auch, wie diese unfassbar hohe Zahl von Flüchtlingen wieder ins normale Leben zurückfinden soll. Viele versuchen, das Land zu verlassen, aber längst nicht alle können in ihre Heimat zurück.

Sorry, das war diesmal nix zum Thema „Sockenstricken“, dafür aber ein Blick in unser Leben am Kap, nicht immer nur von Sonnenschein und guter Laune geprägt …

In der Hoffnung auf bessere Zeiten, trotz allem ein schönes Wochenende – Cordula.

8 Kommentare »

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  1. Hallo,
    na das Leben in Kapstadt scheint wirklich voller Extreme zu sein. Hoffentlich normalisiert sich die Lage bald wieder bei euch. Bleibt ihr eigentlich nur für eine gewisse Zeit in Kapstadt ??

    LG Monika
    *die Einblicke in das Leben in Südafrika immer sehr interessant findet*

  2. Hallo Cordula!
    Ich finde gut, dass Du auch einen solchen Beitrag schreibst, nicht immer nur Exotik, schöne Landschaften und bunte Socken, obwohl das alles auch seinen Platz hat. Und ich verstehe Dich gut. In den Medien wird einiges darüber berichtet, gegenüber solchen Ausschreitungen sind wir oft fassungslos, wobei ich persönlich glaube, dass die Afrikaner „heftiger“ in ihren Äußerungen sind, wenn Du verstehst, was ich meine.
    In diesem Sinne ist es ein Privileg, in Eurem geschützten Estate zu leben, wir in Kamerun hatten das nicht.
    Ich wünsche Euch und allen Beteiligten, dass die Situation sich schnell zum Guten ändert!

    Liebe Grüße
    Daniela

  3. Liebe Cordula,

    sicherlich ist das Leben an sich und sehr oft nicht der eitle Sonnenschein, der noch immer in einigen Blogs vorherrscht und darum finde ich es gerade wohltuend, diesen Bericht hier bei Dir zu lesen!

    Ich mag mir gar nicht vorstellen, mal selbst davon betroffen zu sein – will heißen, so etwas im eigenen Land zu erleben – ich wäre bestimmt genauso entsetzt wie Du!

    Und wie Dani schon schrieb, das Temperament der Südafrikaner scheint doch wohl ein anderes zu sein und so hat sich diese Sache sehr sehr aufgeschaukelt!

    Mir tun auch die Menschen und hier vor allem die Kinder leid, es trifft ja in einer Kette immer das schwächste Glied!

    Sei lieb gegrüßt und sei froh, in einem Estate leben zu können/dürfen!

    Hoffentlich beruhigt sich bald alles zum Besseren hín!

    Dörte

  4. Danke für diesen Einblick, Cordula – es muss nicht immer um Socken gehen…

    Ich hoffe, es geht Euch weiterhin gut!!

    Liebe Grüße
    Tanja

  5. Ich habe auch schon einiges von den Unruhen in Südafrika gehört, und dabei gleich an Euch gedacht. Ich finde Deine Einblicke nach wie vor, oder gerade wegen solcher Beiträge sehr sehr wichtig.
    Und ich wünsche mir sehr,
    dass es Euch auch weiterhin gut geht.
    Ganz liebe Grüße an Dich
    Steffi

  6. Hallo Cordula,

    wenn man die Berichte im TV und den Zeitungen so hört und liest macht man sich schon ein gewißes Maß an Sorgen um die in Südafrika lebenden Europäer.
    Wie bereits von Dani und Dörte erwähnt haben die Afrikaner halt doch ein ganz anderes Temperament wie wir und da schaukeln sich solche Konflikte wohl auch noch schneller hoch.
    Für euch bin ich froh dass ihr in eurem Estate relativ sicher seid und hoffe dass das auch so bleiben wird.

    Danke für deine schönen Berichte, ich lese sehr gerne bei dir mit!

    Liebe Grüße
    Helga

  7. Liebe Cordula,
    seit es die Berichte über die Unruhen bei euch im Fernsehen bei uns zu sehen gibt, denke ich eigentlich immer an dich und deine Familie und wie ihr das dort selbst erlebt. Von hier aus ist immer alles so fern . . . und auch doch so nah. Oft entwickelt sich soetwas weiter, ein kleiner Funken ist es zu Beginn und wird plötzlich zu einem Großbrand. Die Grenze wird oft von jetzt auf direkt überschritten.
    Ich wünsche euch, dass ihr nicht direkt persönlich davon betroffen sein werdet und wünsche euch, dass ihr es alle heil übersteht. Hut ab, dass du zu dieser Sache so Stellung nimmst und ich doch eigentlich nur einmal, wie schon so oft bei dir vorbeigeschaut habe, um mich nach „schönen“ Sockenbildern bei dir umzusehen.
    Ich glaube, viele werden an euch denke und euch gute, hoffnungsvolle Gedanken schenken.
    Liebe Grüße
    Stephanie

  8. hallo cordula!

    ich finds auch toll, dass du nicht nur von friede-freude-eierkuchen schreibst sondern auch die anderen seiten zeigst. ich finds interessant die sicht von jemandem zu lesen, der direkt vor ort wohnt und einen persönlichen eindruck von der lage vermittelt. das schätze ich auch so an deinem blog!
    ich drücke wie alle anderen die daumen, dass sich die lage wieder beruhigt!

    ganz liebe grüße
    ilona


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